Journal | KW 21 – KBZ-Jubiläum und Zettelkasten
Beim 10-jährigen Jubiläum des Karl Barth-Zentrums wurde klar: Barths Theologie lebt vom Gespräch. Mit meiner Zettelkasten-Methode habe ich die Tagung begleitet – und zeige in diesem Journal, wie aus Mitschriften anschlussfähige Gedanken entstehen.

Karl Barth-Zentrum feiert 10-jähriges Bestehen
Gebührend feierte das Zentrum für Karl Barth und reformierte Theologie diesen Donnerstag an der Universität Basel gemeinsam mit dem Karl Barth-Archiv sein 10-jähriges Bestehen.
Zu Gast hatten wir drei tolle Referierende. Michael Pfenninger hat uns als zweiter Gastreferent den von ihm editierten Band 57 der Karl Barth-Gesamtausgabe vorgestellt, der bereits jetzt online gelesen werden kann.
Der Band enthält zahlreiche Gesprächsaufzeichnungen von und Interviews mit Karl Barth aus den Jahren 1948 bis 1952.
Besonders interessant finde ich daran, dass dabei erst deutlich wird, wie seine ganze Theologie eine im dauernden Gespräch verwickelte Entwicklung ist.
Die Kirchliche Dogmatik liest sich für viele wie ein monolithisch-dogmatisches Manifest. Wer aber aufmerksam weiterliest, dem fällt bald auf, dass hier einer schreibt, der nicht bei dem stehen bleibt, was er einst behauptet – sondern in ständiger Selbstkritik und Selbstrevision, sich das biblische Zeugnis und die kirchliche Lehre aneignet und dabei immer wieder selbst überholt und überholen lässt, jedoch ohne dabei je sein Thema aus dem Blick zu verlieren – Jesus Christus.
So verstehe ich Karl Barth nicht nur als großen christlichen Dogmatiker des 20. Jahrhunderts, sondern auch als einen mit sehr gesundem Humor gesegneten Ironiker, der seinesgleichen sucht.
„Sollte ich, was die Seitenzahl angeht, der größte Dogmatiker der letzten 3-400 Jahre sein? Aber ich werde sie vermutlich nicht mit in den Himmel bringen, schließt der schalkhafte Professor mit einem ... Blick in Richtung der acht Bände auf dem Schreibtischregal. – Wir werden ja aus Gnade gerechtfertigt, und nicht aus ‚guten Werken‘.“ (Karl Barth)
Zettelkasten zum Mitschreiben
Mir war bei dieser Tagung meine Zettelkasten-Methode eine große Hilfe. Nicht nur konnte ich mitschreiben, sondern ich konnte zugleich, die Gedanken sortieren, einordnen und anderen anschliessen.
Und das alles, während ich dem Vortrag folge.
Das klingt nach Multitasking und Stress, nicht wahr?
Dank einem automatisierten Ablauf, den ich mir durch die ständige Wiederholung bei der Arbeit und dem Schreiben mit der Zettelkasten-Methode angewöhnt habe. Nur deshalb muss ich nicht Multitasking machen, sondern kann ruhig meine Notizen schreiben und sortiere ein, ergänze spielend mit Eigenem und schliesse bestehende Gedanken (i.e. andere Notizen) an. Dabei erweitere ich quasi nebenbei das Netzwerk des Zettelkastens, ohne im Nachhinein noch aufwendige Nachschriften des Gehörten anfertigen zu müssen.
Im kommenden Monats-Newsletter möchte ich einen ersten Einblick in diesen Arbeitsablauf geben und auch eine kleine Vorlage zum Ausprobieren oder Anknüpfen teilen.
Notizen-Werkstatt

Aus dem ersten Referat von Harald Matern, entstand eine solche Notiz. Das ursprüngliche Notizchaos, das bei mir beim Mitschreiben zwangsläufig immer entsteht – war in kürzester Zeit in mehrere Notiz-Zettel aufgeteilt und entsprechend verlinkt in dieser ursprünglichen Mitschrift als Link erhalten (unter A.; B.; C.).
An meiner noch unbearbeiteten Mitschrift von Frederike van Oorschot kann man gut sehen, dass es ein wesentlicher Arbeitsschritt ist, aus dem Mitschrift-Chaos, das für mich persönlich Interessante und Wichtige, d. h. meist das, was in meinem Zettelkasten anschlussfähig ist, zu priorisieren und das für mich weniger wichtige auch einfach zu löschen.

Und so entsteht aus dem mitgeschriebenen Kuddelmuddel schnell eigene, sinnvolle Weiterführungen. D. h., eigene Gedanken, die teils auch zu weiteren Notizen führen, die als Link angeschlossen werden und später auch weit von den ursprünglich mitgeschriebenen Gedanken der Referierenden wegführen können – und genau das soll ja letztlich dabei passieren; dass man beim Schreiben auf ganz ungeahnte und vorher unvorstellbare, kreative Ideen und Gedanken kommt.
So wird aus einer Sammlung von teils unzusammenhängenden Notizen, eine Serendipity-Maschine. Darin liegt der große Mehrwert dieser Methode.
Stand KW21
Eigentlich muss das Zählen nicht sein, aber ich habe mir vorgenommen, täglich im Zettelkasten zu schreiben – d. h., nicht nur ein paar nette Gedanken abzulegen, sondern wirklich auch längere Gedanken-Ketten auszuführen. Das bedeutet, diese in ihre einzelnen Kernideen aufzuteilen, sinnvoll anzuschliessen und nach Möglichkeit ältere Notizen mit den neuen sinnvoll zu verbinden.
Diesen Prozess erlebe ich als äusserst lohnenswert und es macht auch einfach Spass, weil ich dabei immer wieder etwas Neues und Überraschendes lerne – und dabei gleich in mein Netzwerk einspeise, sodass ich später – bspw. beim Schreiben eines Essays oder bei der Recherche für ein Referat – wieder darauf stossen kann.
Deshalb orientiere ich mich auch am Input einfach grob an Niklas Luhmanns Vorlage. Der Mann hat in ca. 30 Jahren sage und schreibe 75’000 von Hand geschrieben Zettel in seinem analogen „Zettelkasten“ angehäuft. Das sind wöchentlich um die 50 geschriebene und abgelegte Notizzettel. Eine wirklich beeindruckende Zahl – zumal wenn man bedenkt, dass er alles (auch die „Links“) von Hand geführt hat.

Deshalb orientiere ich mich bei der Reflexion und Beurteilung meiner Produktivität im Zettelkasten quantitativ an dieser Zahl. Da bin ich aktuell gut dabei – zum Jahresende übertreffe ich vielleicht die Luhmann’sche Jahresquote von 2500 Zetteln sogar. Zumindest ganz knapp.
