Ruben Cadonau
Von der Baustelle zur Dogmatik: Ich begann als Elektroinstallateur – heute suche ich in der Theologie nach den verborgenen Mustern, die Menschen verbinden.

a. Über mich
Mein Weg in die Theologie war nicht vorgezeichnet. Ursprünglich habe ich als Elektroinstallateur EFZ gearbeitet – ein Beruf, der viel mit Struktur, Präzision und Systematik zu tun hat. Doch mit der Zeit wurde mir klar, dass mich weniger das technische Arbeiten faszinierte als die Frage, was Menschen innerlich bewegt und verbindet. Ich wollte verstehen, was Menschen zusammenhält – nicht technisch oder politisch, sondern existenziell.
Also habe ich Theologie studiert: zuerst am Theologischen Seminar St. Chrischona (akkreditiert über Middlesex University London), dann an der Universität Basel (BTh & MTh). Heute bin ich wissenschaftlicher Assistent für Systematische Theologie, unterrichte Ethik und arbeite an meiner Dissertation, in der ich Karl Barths Denken neu als pragmatischen Beitrag zur Theologie erschließe.
b. Forschungsschwerpunkte und Interessen
Meine Interessen reichen weit über die klassische Dogmatik hinaus. Neben theologischen Klassikern wie Schleiermacher, Troeltsch, Barth, Bultmann, Pannenberg, Ebeling und Balthasar interessiert mich, wie man eine Fundamentaltheologie entwickeln kann, die nicht in aporetischer Zirkularität mündet, sondern sich wieder mutig an eigenständige, originelle materialtheologische Entwürfe wagt.
Ich frage mich, wie man eine Fundamentaltheologie entwickeln kann, die ihrem überlieferten Vokabular treu bleibt – und zugleich bereit ist, von anderen Disziplinen zu lernen.
Dabei interessiert mich insbesondere Ethik als Fundamentaltheologie – also als Theorie theologischer Praxis. Dazu zählt auch eine empirisch informierte Reflexion über religiöses Schreiben, Predigt und theologische Rede.
Theologie begreife ich interdisziplinär. Ich möchte sie in Kontakt bringen mit Wissenschaftssoziologie (Bruno Latour), Machtdiskursen (Foucault), postmodernem Liberalismus (Adorno, Derrida, Deleuze, Baudrillard) sowie dem Pragmatismus (Rorty, Shusterman, Brandom). Besonders prägend ist für mich die Soziologie von Niklas Luhmann, dessen systemtheoretischen Ansatz ich für eine unterschätzte Ressource theologischer Reflexion halte.
Ich verstehe mich als reformierter Theologe, der sich der Bibel und ihrem Zeugnis vom auferstandenen Jesus Christus verpflichtet weiß. Mein theologisches Arbeiten zielt daher nicht nur auf intellektuelle Horizonterweiterung, sondern auch auf eine intensive Vertiefung des Evangeliums von Gottes offenbarter Liebe in Christus (1Joh 4,8f.).
c. Der Zettelkasten als Denk-Werkzeug
Gute Theologie ist nicht nur eine Frage des Inhalts – sondern auch der Methode. Je tiefer ich mich in theologische und philosophische Texte hineingearbeitet habe, desto mehr wurde mir klar, wie entscheidend die Art und Weise des Denkens ist.
In meiner Suche nach einer tragfähigen Denkpraxis bin ich auf die Zettelkasten-Methode gestoßen – eine Arbeitsweise, die schon Gelehrte wie Leibniz nutzten, um ihr Wissen zu ordnen. Der Soziologe Niklas Luhmann hat diese Methode später grundlegend weiterentwickelt: Sein Zettelkasten war kein alphabetisches Nachschlagewerk mehr, sondern ein netzwerkartiges System, das ihm half, Gedanken über Jahre hinweg miteinander zu verknüpfen und weiterzudenken.
Seit 2021 arbeite ich mit Obsidian.md, einer minimalistischen, lokalen Notizsoftware, die es erlaubt, Gedanken wie in einem digitalen Zettelkasten zu verlinken und systematisch weiterzuentwickeln. Dabei geht es mir nicht einfach um das Sammeln von Notizen, sondern um eine Arbeitsweise, die produktives, langfristiges Denken ermöglicht – gerade auch für die Theologie.
Meine Erfahrungen damit – und das von mir weiterentwickelte Framework, das sich eng an Luhmanns Methodik orientiert – gebe ich in einem Zettelkasten-Kurs weiter, der zurzeit in Entwicklung ist (geplanter Start: Ende 2025). Wer Theologie oder Geisteswissenschaften betreibt, sollte nicht nur lesen und schreiben – sondern auch methodisch zu denken lernen: systematisch, vernetzt und mit einer bewährten Langzeitstrategie.
d. Warum diese Webseite?
Mit Dogmathink.com versuche ich, die traditionelle akademische Theologie in einer digitalisierten Welt als freie, denkende Kunst neu zu begreifen.
In der heutigen theologischen Landschaft nehme ich eine gewisse Polarisierung wahr: Auf der einen Seite steht eine akademische Theologie, die sich oft hinter Fachsprachen und institutionellen Grenzen verbirgt – auf der anderen eine populäre Theologie, die zwar zugänglich ist, aber häufig Tiefe und Differenzierung vermissen lässt.
Mit Dogmathink.com versuche ich, diese Spannung produktiv zu wenden: Ich möchte einen Ort schaffen, der intellektuelle Schärfe mit öffentlicher Zugänglichkeit verbindet – eine Plattform für theologische Reflexion, die sowohl sprachlich anspruchsvoll als auch offen für den Dialog mit anderen Disziplinen und Lebenswelten ist.
Ich habe keine fertigen Antworten – nur den Wunsch, gemeinsam mit anderen eine künstlerische Entdeckungsreise zu wagen.
Deshalb verfolge ich mit Dogmathink.com folgende Ziele:
- Eine Plattform zu schaffen, die intellektuell anspruchsvoll und zugleich zugänglich ist.
- Einen Ort zu bieten, an dem theologische Reflexion frei zugänglich ist – ohne Paywall und ohne akademische Hürden.
- Mein Denken nicht in Blog-Posts, sondern als fortlaufende Dokumentation sichtbar zu machen – eher wie ein offenes Forschungsjournal.
- Eine Theologie zu pflegen, die sich nicht selbst genügt, sondern offen ist für Weiterdenken, Widerspruch und Neuanfänge.
Theologie ist für mich keine elitäre Disziplin, sondern eine gemeinschaftliche Suchbewegung. Sie braucht Räume, in denen Menschen auf Augenhöhe miteinander denken, fragen, streiten und hoffen dürfen – ohne sich an den Gatekeepern etablierter Institutionen abarbeiten oder erst beweisen zu müssen.
Ich nehme in Kirche und Theologie häufig eine gewisse Abwehrhaltung gegenüber Konzepten wahr, die nicht sofort auf ein übernatürliches oder überzeitliches Wahrheitsprinzip hinauslaufen. Manche Ideen werden vorschnell als „relativistisch“ oder „zersetzend“ abgetan – als drohten Anarchie und Chaos, wenn man theologisches Denken nicht mehr autoritativ absichert.
Hinter dieser Abwehr spüre ich nicht nur institutionelle Unsicherheit, sondern auch eine tieferliegende Angst: die Angst, Autorität zu verlieren, wenn man sich auf einen echten Dialog mit anderen Disziplinen, Deutungsangeboten und Denkweisen einlässt.
Wie Richard Rorty pointiert schrieb: Die Gefahr für eine freie Gesellschaft ist nicht, dass sie auf objektive Wahrheit verzichtet, sondern dass jemand glaubt, sie zu besitzen – und dann eine Geheimpolizei braucht, um sie zu schützen. (in Anlehnung an Rorty, Philosophy and the Mirror of Nature, 1979, S. 387f.)
Mich haben Hierarchien allein selten überzeugt – dafür umso mehr Menschen, die Verantwortung übernehmen, zuhören und sich beraten lassen.
Autorität entsteht dort, wo Vertrauen wachsen kann – nicht dort, wo Macht ausgeübt wird. Sie wird zugesprochen, wenn jemand ehrlich ist, für Fehler einsteht und andere als Menschen wahrnimmt – nicht wegen seiner Position, sondern wegen ihres Umgangs mit ihr.
Dogmathink.com ist für mich der Versuch, dieser Überzeugung Raum zu geben – ein digitaler Ort für eine andere Theologie: zugänglich, dialogisch und ohne Angst vor Autoritätsverlust.