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Joh 16,33. Ref Kirche Brittnau 20.10.19

Das Böse hat nicht mehr das letzte Wort. Krankheit, Leid, Schmerz – sie alle sind da. Wir kommen nicht an ihnen vorbei. Aber eines ist uns versprochen: Frieden!
Joh 16,33. Ref Kirche Brittnau 20.10.19
Photo by Brett Jordan / Unsplash

Am 20. Oktober 2019 durfte ich in der Ref. Kirche Brittnau zu den Worten Jesu aus Joh 16,33 predigen. Vieles ist 2019 geschehen. U.a. Anschläge auf Christen in Sri Lanka. Und der rechtsextreme Terroranschlag auf eine Synagoge in Deutschland.

Ich schreibe auch von Krankheit und Leid. Doch hätte ich nie an Corona gedacht. Die Worte sind mir beim Überarbeiten und Korrigieren für den Blog neu zur Hoffnung geworden. So hoffe ich, dass sie auch euch neu erinnern mögen, an die Hoffnung, die wir alle in Jesus Christus haben.


33 Dies habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.
– Die Bibel, Johannes 16,33

Liebe Brüder und Schwestern!

Weltfrieden – Weltfremd

In mir habt ihr Frieden“. Ein grosses und schweres Wort. Frieden. Gerade in einer Welt, die geplagt ist von Uneinigkeit, Hass, Neid und Krieg. Wenn wir Angesichts der Krisen unserer Welt, die Jahr auf Jahr einander ablösen, die vielen Kriege bspw. im Nahen Osten und in der Ukraine, aber auch den alltäglichen Konflikten, die in unserem inneren toben, die in unseren Familien herrschen und unsere Gesellschaften spalten. Kommt in uns allen, ob bewusst oder unbewusst, die Sehnsucht auf, nach einem Frieden, der unseren brüchigen und zeitigen Scheinfrieden ablöst. Wünscht sich nicht jedes Kind den Weltfrieden? Welt und Frieden stehen sich aber verlegen wie Fremde gegenüber.

Wir sind heute kaum mehr enttäuscht, wenn wir in den Medien von einer weiteren gescheiterten oder halbherzig umgesetzten Friedensabkommen hören; so selbstverständlich ist uns echter, anhaltender Friede fremd geworden und im Grunde schon immer gewesen. Denn viele Machthaber, Könige und Feldherren vor Jesus haben schon Frieden versprochen – mit Schwertern, Speeren und Schildern wollten sie Frieden herbeiführen und erhalten. Und auch nach ihnen versprachen unsere Führer Frieden, aber jede Errungenschaft der Technik und Kultur hat nur neue Zwietracht geschürt und Kämpfe entfacht.

Jesu Worte scheinen uns doch gerade darum: Weltfremd. Und trotzdem: Jesus wagt es zu sagen: in mir habt ihr Frieden.

Friedefürst – Gottheld

Ich habe die Welt überwunden.“ Um so etwas zu tun, bedarf es wirklich eines großen Herrn – und er ist es ja. Der hier „Ich“ sagt, ist Jesus Christus, der an Weihnachten Mensch wurde, das herrliche Gewand seiner Göttlichkeit ablegte, um uns gleich zu werden und zu tragen, was wir nicht ertragen könnten. Er hat mit uns ebenso Freude und Glück geteilt, wie er Leid und Hass auf sich genommen hat. Er hat unsere Wunden und Krankheiten geheilt, unsere Trauernden getröstet und unsere Toten zum Leben erweckt – er hat an Hochzeiten gelacht und war fröhlich, hat an Begräbnissen mit uns geweint, hat die Trauernden getröstet, stellte sich kritischen Fragen und beantwortet sie und lehrte uns Gottes Wort. Doch zuletzt nahm er, durch unsere Hand, Leid und Schmerz, Angst und Sünde auf sich. Und er hat die Nägel erduldet, die von Menschenhand geschmiedet waren, die sein Fleisch durchbohrten. Er hat sich gestellt und preisgegeben unserem Gericht. Er hat die furchtbare Hinrichtung am Kreuz ertragen, hat uns letztlich versöhnt mit Gott, indem er unsere Sünde mit sich in den Tod nahm. Er ist der, von dem Paulus sagt, es habe (Kol 1,19f.) „Gott gefallen, alle Fülle in ihm wohnen zu lassen und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.“

Gerade darum ist Gott in Jesus Christus unsere Welt nicht fremd geblieben, weil er die Tiefen und Höhen unserer menschlichen Existenz ganz und gar durchschritten hat, bis zum Ende.

Am Ende – Versöhnung

Versöhnung und Frieden sind für Paulus synonym: Versöhnung bedeutet, die Einigkeit und Einheit aller Menschen mit Gott und miteinander, bedeutet Waffenruhe, die auf ewig alle Gewalt beerdigt hat, die Flammen des Krieges gelöscht hat, jedes Tribunal außer Kraft setzt, bedeutet Ruhe, die das Chaos der Klänge in Einklang bringt und Liebe, die heller und heißer brennt als jeder noch so feurige Hass – Das ist Gottes Frieden.

Gesiegt und überwältig hat er die Welt, nicht wie ein Feldherr mit Heer oder Kraft [Sach 4,6], sondern durch den Geist allein. Er ist auferstanden: Er ist durch alles hindurchgegangen, hat alles erduldet, hat unsere Sünde mit sich ins Grab genommen, aber halten konnten sie ihn nicht – Tod und Sünde konnte den Herrn des Lebens nicht binden, sie konnten ihn nicht besiegen.

Und dieses Moment der Entscheidung, hat entschieden, weil Jesus nicht tot geblieben ist, er hat sich als wahrer Herr erwiesen, auch als Herr über den Tod. Das Wort Krise leitet sich vom griechischen Wort Krisis ab und bedeutet Ent-scheidung und Gericht.

Die wahre Krise der Welt

Jesus Christus ist die Krise unserer Weltgeschichte, er ist die Krise darüber hinaus es keine größere mehr geben kann. An Jesus scheiden sich die Geister, an Christus scheiden sich die toten von den lebendigen. Seine Liebe stellt alles infrage, was wir gelernt, erwartet und gekannt haben. Sie definiert Sieg und Frieden neu: Frieden, nicht mehr bloß als Waffenruhe nach dem Krieg. Und den Sieg, nicht mehr als vorläufigen Triumph, sie sind endgültig. Gott macht alles neu – eine neue Schöpfung, Frieden und Überwindung sind bei ihm eins, sind beständig, sind von ihm ein für alle Mal geschaffen und getragen – er überwindet und in ihm haben auch wir alles neu!

Als Gott seinen eigenen und einzigen Sohn ins Gericht gehen liess und sich Jesus anstelle des Mörders, anstelle von Barabas richten liess,  – in diesem Moment war alles entschieden.

Er sagt zu uns nicht, „irgendwann werde ich die Welt überwinden“, sondern „Es ist vollbracht!“ [Joh 19,30], „ich habe die Welt überwunden.“

„Euch bleibt nur übrig, zu bemerken und euch darauf einzustellen und einzurichten, dass ihr in der von mir überwundenen Welt lebt – von mir überwundene Menschen seid!“
– Karl Barth

Die grosse Weltangst

Wenn wir das hören, so müssen wir aber auch das Andere hören, sonst können wir auch seinen Sieg nicht hören und nicht verstehen: „In der Welt habt ihr Angst“. Jesus sagt nicht, ob wir sollten, könnten oder Angst haben müssten. Er stellt nüchtern fest, dass wir „in der Welt Angst haben“. Und so ist es auch, Jesus hat überwunden, doch wir sind noch in der Angst, sind selbst von der Welt überwunden, werden selber wie Jesus enden und fürchten anders als Jesus nicht wieder aufzuerstehen.

„In der Welt haben wir Angst“. Angst hat mit Enge zu tun, mit der Bedrängnis durch eine Bedrohung oder eine Gefahr.

Es gibt Ängste die besonders junge Menschen betreffen, wie Angst vor der Zukunft, vor dem was noch nicht ist, aber geahnt wird.

Andere Ängste haben die älteren, die bereits ihrem Lebensende zugehen, wie wird das Alter sein, wie der Tod, bangen vermehrt vor drohenden Krankheiten und Einschränkungen. Auch spezifische Ereignisse in der Welt können uns Angst sein: Wie besonders denn Jugendlichen, wenn von der Klimakatastrophe die Rede ist, da wird die Angst um die eigenen Zukunft fassbar und erlebbar, wenn die Schüler Freitags auf die Straßen gehen; steigt nicht in uns allen ein Unbehagen auf, wenn wir von der Gewalt erfahren, die von politisch-ideologischen oder religiös-fundamentalistischen motivierten Terroranschlägen – Gewalt ist Gewalt. Gewalt ist eine konkrete folge von Angst, Gewalt tut man anderen an, weil man denkt die eigenen Ängste würden dadurch gemildert, würden dadurch überwunden. Sie überwinden damit die Angst nicht, sondern schüren sie nur. Und sind wir nicht aktuell beunruhigt vom Krieg in Syrien, haben wir nicht Angst, dass die Gewalt und Willkür unter Erdogan und Trump in der Welt überhandnimmt oder dass immer mehr Scharen von Flüchtlingen Europa überfluten? Oder macht es uns nicht Angst, dass an Ostern in Sri Lanka drei Kirchen Opfer von Terroranschlägen wurden oder im Januar in den Philippinen. Oder der Anschlag letzten Freitag auf die Synagoge in Halle, wo ein schwerbewaffneter Terrorist versucht hat, die Synagoge zu stürmen. Oder fürchten wir uns nicht alle davor tendenziell tödlich zu erkranken, z.B. an Krebs. Ich könnte jetzt noch viele aufführen, aber kurzum gesagt, haben wir in der Welt einfach Angst!

Doch wollen wir uns das überhaupt sagen lassen? Wollen wir uns nicht lieber die Ohren zu halten, aufstehen und gehen?

Und auch die Starken unter uns haben das zu hören und sich von Jesus sagen zu lassen, denn alle unsere Ängste bleiben ja bloß eine Spielart der großen Angst um unser Leib und Leben. Wir haben Angst um unser Leben, Lebensangst die wir gerade auch Todesangst nennen können, weil sie die Angst vor der drohenden und allgegenwärtigen, aber unausweichlichen, Bedrohung ist, die unser Dasein in der Welt von allen Seiten umschließt, wie ein kaltes und dunkles Grab.

Doch wenn wir dieses Wort nicht hören wollten, so können wir auch das andere nicht hören und verstehen

„Fürchte dich nicht!“

Die Angst ist keine Option, keine Möglichkeit, weil der Tod keine Option und keine Möglichkeit ist. Ihre Unausweichlichkeit macht uns zu suchenden, wir dürsten, wie ein Hirsch nach Wasser dürstet, so dürsten wir nach unerschöpflichem Leben – nach Gott. Denn er ist der Schöpfer und Geber des Lebens, er gibt uns lebendiges Wasser, er stillt unseren Durst – seine Worte sind Geist und sind Leben, denn „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“

Darum hat die Welt nicht das letzte Wort, sondern Gott. Es ist zwar Jesus der gesiegt hat, nicht wir, doch gilt dieser Sieg eben uns allen. Er hat die Welt für uns besiegt, darum:

„In der Welt habt ihr Angst; Aber seid getrost“. Das Letzte Wort hat Gott!

Seinen Trost zu hören, bedeutet nicht die Angst schön zu reden, es bedeutet nicht von ihr zu fliehen, sie in Abenteuern, glücklichen Momenten oder Drogen zu ertränken und zu betäuben. „Seid getrost“, heisst mitten in der Angst die Augen zu erheben zum Ort, von dem uns Hilfe kommt [Ps 121,1; 123,1]. Herr hilf! zu rufen, dann wenn die Stürme um uns her unerträglich sind.

Dieses grosse Aber! steht zwischen den Gegensätzen: Zwischen unserem –„In der Welt habt ihr Angst“ und seinem – „Ich habe die Welt überwunden.“

Der Geist des Friedens – Heiliger Geist

Der Heilige Geist, den Jesus uns gegeben hat, er ist unser Tröster und Ermutiger, er gibt uns Zeugnis von der Wahrheit, er ist die Brücke zwischen dem „noch nicht“ und „ist schon“; er ist das „Aber seid getrost!“, das zwischen unserer Angst und seinem Sieg steht. Er ist der Pfad unter unseren Füssen, der uns zu Jesus führt. Er ist das Unterpfand, der Beweis seines Versprechend, dass wir mit ihm leben werden, dass sein Sieg unser Sieg sein wird und darum jetzt schon ist. Wir befinden uns zwar noch auf dem Weg zu seinem Sieg, doch sein Sieg ist in uns heute schon gegenwärtig, weil der Tröster, der Heilige Geist in uns wohnt, weil Jesus Christus in uns lebt, ist sein Sieg gegenwärtig in uns.

„Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln.“
– Die Bibel, Römerbrief 6,3-4

Das Gewicht des Friedens – Gottes Herrlichkeit

Und jetzt da wir das alles gehört haben und uns haben sagen lassen – können wir hören, dass sein Frieden schwer und gewichtig ist und uns gleichzeitig frei und leicht macht. Sein Frieden ist der längst überfällige Spätregen in einem dürren Land. Er ist die Not einer sterbenden Welt. Er ist die gute und gesunde Saat, in einem ansonsten vergifteten Boden – er ist die letzte Hoffnung.

In ihm Frieden zu haben, heißt, diese Welt nicht mehr so schwer zu nehmen, es bedeutet, mit mehr Humor über das Leben zu sprechen, nicht mehr an jedem Ereignis mit Todesernst zu verzweifeln, es bedeutet schlicht das Böse nicht mehr das letzte Wort haben zu lassen, sondern hoffnungsvoll und erwartungsvoll, ja geradezu voller Freude das Morgen zu erwarten, nach vorne zu schauen und nie mehr zurück.

Wir schauen nach vorn und schauen zurück. Aber bleiben nicht zurück, sondern gehen voran, denn die Lebendigen schreiten voran und die Toten bleiben zurück.

Das Ende wird enden

In Jesus ist die Entscheidung gegen den Schrecken, den Hass und das Leid in unserer Welt gefällt, der Tod ist verschlungen in den Sieg [1Kor15,54].

Der Weg Jesu führt uns alle trotzdem durch die Welt und ihre Schrecken, doch unser Weg endet nicht mehr in ihr. Er führt auch nicht an der Welt vorbei, nicht aus ihr hinaus, sondern mitten durch sie hindurch. Was in Jesus vorweggenommen ist, was Jesus selber erfüllt hat, wird sich erst noch in jedem einzelnen von uns verwirklichen, wird sich an seiner Gemeinde verwirklichen.

So erdulden wir nun mit Freuden und wir erwarten mit Hoffnung die Erlösung unseres Leibes [Röm 8,23], aber nicht aus unserer Kraft, sondern aus seinem Trost, aus seinem Wort und seinem Sieg fassen wir Mut.

Und auch daraus: Im Heiligen Geist ist Jesus in uns gegenwärtig und wir ihn ihm und er hat uns versprochen bis zum Ende der Welt bei uns zu sein: Darum (Neh 8,10) „seid nicht bekümmert; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke“.